Es geht auch ohne Verschwörungsphantasien – Solidarisch für eine Gesellschaft radikaler Vielfalt!

Als Bündnis gegen Rechts Wendland/Altmark werden wir seit Beginn der Corona-Pandemie auf Informationen zum Virus und zu den Eindämmungsmaßnahmen aufmerksam gemacht, die wir für sehr bedenklich halten. Dies geschieht an Orten und in Zusammenhängen, in denen sich viele Unterstützer*innen des Bündnisses gegen Rechts bewegen und von denen sie sich als Teil verstehen. Für diese Orte haben wir diesen Text geschrieben.

Was war los in den letzten Monaten?

Es wurden über Flyer, Social-Media-Kanäle, Mails und in speziellen Veröffentlichungen Links zu den Botschaften dubioser Mediziner*innen und Reichsbürger*innen verbreitet. Auch Internetseiten wie KenFM, Rubikon und ähnliche Kanäle, die u.a. Antisemitismus eine Plattform bieten, Verschwörungsmythen verbreiten und sich nicht gegen Rechts abgrenzen, wurden empfohlen. Populistisch werden Behauptungen als wissenschaftliche Tatsachen dargestellt und für eine emotionalisierende Erzählung verwendet. Bisher konnten all diese Behauptungen wissenschaftlich widerlegt werden. Noch problematischer: Es wurde dazu aufgerufen, mit der AfD und anderen rechten Gruppierungen zusammen zu arbeiten. Es wurde zur Teilnahme an Demos eingeladen, deren Veranstaltende selbst rechten Strukturen angehören oder keine Probleme mit der Teilnahme von rechtsextremen Gruppen haben. Gerechtfertigt wird das damit, dass durch die Coronamaßnahmen unsere Grundrechte bedroht seien.

Doch was ist mit dem Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit derjenigen, die zu Risikogruppen gehören oder die nach einer Ansteckung Langzeitschäden davontragen?

Welche Fragen haben wir? Unser Einordnungsversuch

Das alles wird z.T. von Menschen geteilt und verbreitet, die wir vom Bündnis gegen Rechts aus unserem Umfeld persönlich kennen und schätzen. Darunter sind auch Menschen, mit denen wir unsere „alternativen Strukturen“ teilen, weshalb es uns und unsere Freund*innen besonders beschäftigt. Wir fragen uns: Warum glauben Menschen an Verschwörungserzählungen – und was glauben sie noch alles? Sind sie noch mit rationalen Argumentationen zu erreichen? Haben wir noch gemeinsame Ziele? Kann dieser Aspekt ihrer Meinung im Miteinander ausgeblendet werden? Oder wäre es gesünder, wenn wir uns von ihnen abwenden?

Bei manchen von uns steht die Konsequenz im Raum, die „gemeinsamen alternativen Strukturen“ nicht länger mit diesen Menschen teilen zu wollen – aber wohin dann? Und wollen wir das? Brauchen wir nicht vielmehr eine Debatte? Eine Positionierung? Und ist es nicht unser aller Aufgabe, erst zu versuchen im Rahmen von Gesprächen zurück auf den Boden der Realität zu kommen?

Wir als Bündnis gegen Rechts haben die Erfahrung gemacht, dass es für solche Gespräche notwendig ist, selbst eine klare Haltung zu haben.

Aktuell sind wir damit konfrontiert, dass aussagekräftige Begriffe (z.B. „Diktatur“, „Faschismus“ oder „Sklavenmarsch“) verdreht, geschichtsvergessen genutzt oder inhaltlich falsch gefüllt werden. Mehr noch, auf die Grundrechte wird nur Bezug genommen, um die individuelle Freiheit ohne Rücksicht auf andere leben zu können. In einem solchen Klima ist Schweigen keine Option. Denn diese Sprache und dieses Verständnis von Zusammenleben nährt menschenverachtendes Verhalten und spielt reaktionären Kräften in die Hände – in der Konsequenz droht vielmehr die Abschaffung der Grundrechte und der Demokratie.

Kein Zweck rechtfertigt die Zusammenarbeit mit Rechten!

Wir halten es für essentiell, in einer offenen Gesellschaft Kritik zu üben. Dies ist immer gerechtfertigt – besonders auch in bewegten Zeiten wie diesen. Denn während der Pandemie nimmt die Gewalt gegen Kinder und Frauen* zu, Menschen in prekären Lebenssituationen werden noch stärker abgehängt, die Situation von Geflüchteten verschlechtert sich weltweit dramatisch, Klimaschutz wird vernachlässigt, staatliche Überwachung klammheimlich ausgeweitet, … Doch gerade dann ist es wichtig, genau zu prüfen, mit wem wir uns zusammentun und was diese Menschen und Gruppen noch denken und fordern. Nur weil es Einigkeit in einzelnen Punkten oder Sympathien miteinander gibt, heißt das noch lange nicht, dass dahinter kein menschenverachtendes Weltbild steckt.

Auf die Frage „Geht es, Freiheit gemeinsam mit Nazis zu verteidigen?“ antworten wir sehr klar: Nein! Freiheit und Gerechtigkeit können wir nicht mit egal wem, mit egal welcher Haltung erkämpfen. Das Anliegen rechter und rechtsextremer Zusammenhänge fußt auf einem menschenverachtenden Weltbild und ist das Gegenteil einer freien Gesellschaft.

„Wir müssen für eine Gesellschaft kämpfen, in der alle ohne Angst verschieden sein können.“1 [Max Czollek]

Gemeinsam solidarisch

Lasst uns den populistischen und verkürzten Antworten unsere Visionen von einer Gesellschaft der Vielen und der Solidarität entgegensetzen. In diesem Sinne:

  • Lasst Aussagen, die menschenverachtend sind, die rechte Positionen relativieren und die historische Ereignisse verharmlosen NICHT stehen!
  • Schaut genau hin, wählt Bündnispartner*innen umsichtig.
  • Zeigt klare Kante gegen Relativierungen des Hitlerfaschismus und rechtsoffene Meinungsplattformen!

Die zentrale Basis für eine emanzipatorische Gesellschaft ist ein unmissverständlich antifaschistischer Konsens. Solidarisch und kritisch für eine Gesellschaft radikaler Vielfalt!

1 Wir schließen uns der Forderung Max Czolleks nach einer Gesellschaft radikaler Vielfalt an.
www.deutschlandfunkkultur.de/max-czollek-ueber-gegenwartsbewaeltigung-eine-gesellschaft.2162.de.html?dram:article_id=482362
[zuletzt eingesehen am 15.02.2021]

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